Wie wird der Mensch menschlich? - Kreuzkirche Lüneburg

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Wie wird der Mensch menschlich?

Die Kreuzkirche > Vision
 

God we must be crazy
The whole world is falling apart
I've never seen so much suffering
Or so many broken hearts
 
And how people can hurt each other
Lord I swear by the stars above
Ain't got nothing to do with love
Ain't got nothing to do with love
 
You say you want my money
You wanna buy you a brand new car
You say you love me honey
I ain't seen no proof so far

 
'Cause the way you've been treating me darling
Doin' things I've never heard of
It ain't got nothing to do with love
It ain't got nothing to do with love
 
God we must be crazy
The whole world is falling apart
I ain't never seen so much misery
Or so many broken hearts
 
How people can kill each other
In the name of the Lord above
It ain't got nothing to do with love
Nothing to do with love

Oh Gott, wir müssen verrückt sein!
Die ganze Welt fällt auseinander.
Ich habe noch nie so viel Leiden gesehen
oder so viele gebrochene Herzen.
 
Wie nur können Menschen sich untereinander verletzen,
 Herr, ich schwöre bei den Sternen oben: Das hat nichts mit Liebe zu tun.
Das hat nichts mit Liebe zu tun.
 
Du sagst, du möchtest Geld von mir.
Du möchtest dir gern ein brandneues Auto kaufen. Du sagst, du liebst mich, Süße.
Ich habe dafür noch keinen Beweis gesehen.
 
Denn so wie du mich behandelt hast, Liebling,
wie du Dinge getan hast, von denen ich noch nie gehört hatte: Das hat nichts mit Liebe zu tun.
Das hat nichts mit Liebe zu tun.
 
Oh Gott, wir müssen verrückt sein!
Die ganze Welt fällt auseinander.
Ich habe noch nie so viel Elend gesehen
oder so viele gebrochene Herzen.
 
Wie nur können Leute einander töten
im Namen des Herrn droben:
Das hat nichts mit Liebe zu tun,
nichts mit Liebe zu tun.
Liebe Gemeinde,
Kenny Wayne Shepherd ist heute 40 Jahre alt und seit 20 Jahren ein bekannter Bluesrock-Musiker aus Louisiana, USA. Wir haben uns im Konfir mit seinem Lied befasst aus zwei Gründen. Als ich es zum ersten Mal hörte, verstand ich den Gesang so: It ain't got nothing to do with the Lord. Es hat nun wirklich nichts mit Gott zu tun. Und ich dachte: Den Text musst du mal genauer wahrnehmen und verstehen. Dabei kam dann jedoch heraus: Es heißt nicht Gott, sondern Liebe. Es hat wirklich nichts mit Liebe zu tun. Diese Abweichung ist nun aber nicht schlimm. Denn die Bibel sagt: Gott ist die Liebe. Und so stimmt denn beides: Das Unrecht, was Shepherd besingt, ist nicht mit Gott zu vereinbaren, denn es hat nichts mit Liebe zu tun. Also jemanden finanziell auszunutzen, indem man so tut, als würde man ihn lieben, das ist weder mit Gott noch mit der Liebe zu vereinbaren. Auch nicht: Elend auf der Welt hervorzurufen und Menschen zu töten. The whole world is falling apart, singt Kenny Wayne Shepherd. Die ganze Welt fällt auseinander. Diese Beschreibung des Weltzustandes scheint wirklich wiederzugeben, was wir in diesen Tagen empfinden. Und genau dies war der zweiteGrund, warum wir im Konfir das Lied bearbeitet haben für diesen Gottesdienst: Das Lied beschreibt unser Lebensgefühl, dass im Moment sehr viele Dinge aus dem Ruder zu laufen scheinen.
 
Nehmen wir uns jetzt mal vor, Kenny Wayne Shepherds schärfste Kritik am Zustand der Welt zu verstehen. Und danach schauen wir, was die Welt heilen und zusammenbringen kann. Und damit es nicht zu großspurig klingt, sprechen wir dann erst mal nur von unserer kleinen Alltagswelt. Denn wir wollen ja diesen Gottesdienst frohen Mutes verlassen.
 
Jetzt also zunächst zu Shepherds Kritik: Es hat nichts mit Liebe zu tun, wenn Menschen einander verletzen. Es hat nichts mit Liebe zu tun, wenn Menschen sich im Namen Gottes gegenseitig töten. Shepherd meint vermutlich: Auf der einen Seite stehen gläubige Muslime, die gegen andersgläubige Muslime kämpfen: Sunniten gegen Schiiten, Iran gegen Irak. Oder gläubige IS-Kämpfer töten alle, die in ihren Augen Vertreter des Bösen sind. Sie töten Muslime, die nicht radikal genug sind, sie töten Christen und Menschen ohne Glaubensbekenntnis. Oder amerikanische Soldaten, unter ihnen viele gläubige Christen, fallen in den Irak ein und bomben und kämpfen Soldaten eines Staates nieder, um sich am Attentat 9/11 zu rächen und um Zugriff auf Ölquellen für die USA zu sichern. Shepherd singt: It ain't got nothing to do with love. Das hat doch nichts mit Liebe zu tun, das darf doch nicht im Namen Gottes geschehen.
 
Und vielleicht haben Sie, vielleicht habt ihr das auch schon ein paar Mal in den letzten Jahren gedacht: Wie kann es angehen, dass gläubige Menschen im Namen Gottes andere Menschen verletzen oder töten? Woran liegt das?
 
Ich meine, wir können das sehr klar beantworten; und es ist auch nicht schwer zu verstehen. Der Zusammenhang ist eigentlich schon im Neuen Testament erklärt: Die Jünger Jakobus und Johannes hatten sich der Jesusbewegung angeschlossen, erzählt der Evangelist Markus, aber sie wollten an Jesu Seite zu Macht und Ruhm gelangen. Sie wollten richtig groß 'rauskommen. Und so offenbarten sie sich Jesus, dass sie in seiner ewigen Herrlichkeit neben ihm sitzen wollten als Mitherrscher, als Mitherrscher zur Linken und zur Rechten Jesu. Doch Jesus verwehrt ihnen den Wunsch und stellt ein Kind in die Mitte und sagt: Ihr sollt nicht groß und mächtig werden wollen, sondern so sein wie ein Kind: schutzlos, vertrauend, spontan, mit euren Gefühlen in Kontakt, kreativ.
 
Was die Jünger Johannes und Jakobus wollten, wiederholt sich ständig in der Religionsgeschichte aller Religionen; und je weiter verbreitet eine Religion in der Welt ist und je mehr sie mit dem Staat oder bestimmten Stammesgruppen verknüpft ist, umso mehr Menschen nutzen die Religion scheinheilig zu ihren Zwecken: Glauben? Ja, natürlich, aber eigentlich nur groß 'rauskommen wollen. Glauben, ja, aber eigentlich nur um Macht und Ruhm zu erlangen. Doch: Das ist nicht mit Gott zu vereinbaren, das hat nichts mit Liebe zu tun.
 
Dies wäre also klar. Wir könnten nun heute Morgen einen Fehler begehen, indem wir empört mit dem Finger beispielsweise auf die IS-Kämpfer zeigten und sagen, was für schlechte, brutale Menschen und unwürdige Gläubige sie sind (was ja stimmt!), und wir könnten uns selbst stattdessen hervorheben, dass wir ja die Religion nicht zu eigenen Zwecken ausnutzen. Damit hätten wir zwar oberflächlich betrachtet vollkommen recht, aber in der Tiefe tut sich vielleicht eine andere Wahrheit auf. Ich nenne diese Wahrheit den „Ja, aber-Glauben.“
 
Ja, ich glaube an einen Gott, aber nur, wenn er mir hilft.
Ja, ich glaube, aber es gibt gewisse Grenzen, die muss Gott respektieren: Ich werde, wenn mich einer schlägt, nicht die andere Wange hinhalten. Sondern ich schlage zurück. Und zwar so kräftig, dass der andere keine Sonne mehr sieht.
Ja, ich glaube an Gott und gehe auch zur Kirche, aber nur, wenn mir gute Kirchenmusik oder eine inspirierende Predigt geboten wird.
Als letztes Beispiel hier eine Situation, die zu Innenstadtkirchen gehört:
Ja, ich glaube an Gott und gehe auch zur Kirche, aber die bettelnden Flüchtlinge oder Obdachlosen vor der Kirchentür haben da nichts zu suchen.
 
Sie merken, liebe Gemeinde, ich könnte hier sehr viele Beispiele des „Ja, aber-Glaubens“ aufzählen. Doch der Punkt ist m.E. gesetzt. Dieser Ja, aber-Glaube ist der kleine Bruder des großen Bruders Ja, ich glaube an Gott, aber nur wenn ich dadurch ganz groß 'rauskomme; wenn ich dadurch zu Ruhm und Macht gelange. Mit anderen Worten: Ein IS-Kämpfer ist mit seinem Ja, aber-Glauben im Ansatz (ich betone: im Ansatz!) nicht anders als ein Bürger unserer Stadt, der auch auf Ja, aber-Weise glaubt. Der einzige - dann wesentliche - Unterschied ist: Der Bürger unserer Stadt bringt niemanden um. Aber beide haben im Prinzip die gleiche Ja, aber-Denkweise, verfolgen das gleiche Muster in Bezug auf den Glauben.
 
Wie geht es anders? Wir wollen ja frohen Mutes nachher zum Osterbasar gehen. Was macht unsere kleine Welt heil? Wenn die kleine heil ist, besteht auch die Chance, dass Größeres daraus wird. Wie kann unser Glauben die Liebe stärken? So dass Kenny Wayne Shepherd singen würde: It has to do with love. People help each other in the name of the Lord. Es hat mit Liebe zu tun. Menschen helfen einander im Namen Gottes.
Ich meine, zunächst muss man eine Grundentscheidung für sein Leben treffen. Komme ich mit der Annahme aus, dass der Glaube nichts bringt? Man könnte sich ja so aufstellen, dass man sagt: Ich glaube, dass es keinen Gott gibt. Der Mensch ist letztlich in der Unendlichkeit des Universums auf sich allein gestellt. Außer dass es eben auch noch andere Menschen gibt sowie viele Lebewesen wie Tiere und Pflanzen. Menschen und Lebewesen können meine Einsamkeit aufheben.
 
Oder glaube ich, dass es einen Gott gibt? Wenn ich daran glaube, ist die nächste Frage: Bin ich auch bereit, mich von Gott bewegen und berühren zu lassen? So dass ich Ihn nicht ausnutze und vor meinen Karren spanne, sondern dem Leben diene in seinem Namen. Dass ich nicht Ja,aber sage, sondern immer mehr ein Nachfolger Jesu werde. 'Immer mehr' heißt: Ich bin ja nicht perfekt. Ich kann nur von Herzen meine Bereitschaft erklären, dass ich nicht Ja,aber sagen will. Und dass ich immer mehr erkennen und umsetzen können möchte, so menschlich einfühlsam zu leben wie Jesus, der Christus.
 
Wie geschieht das, dass Gott mich berührt und bewegt? Anke Brehl wird im nächsten Gemeindebrief über ihre Erfahrung schreiben, wie sie erlebt, dass Gott sie berührt und bewegt. Ich darf dies heute Morgen schon in Auszügen zitieren:
Etwas in mir kennt das Sehnen nach dieser göttlichen Berührung. Von Anfang an wusste etwas in mir, wie sich dieses Berühren anfühlen würde. Nein, kein Blitz und Donner, kein Licht, genau genommen keine große Sache. Ein leiser Moment, nach dem ich weiß „Etwas ist anders.“ … Der Moment im Gebet, in dem plötzlich alles ganz still ist, weil es keiner Worte mehr bedarf. Ein Gimpel sitzt auf meinem Gartenzaun, er neigt seinen Kopf und scheint zu sagen: „Ich sehe dich.“. Mein Sohn lehnt seinen Kopf an mich und für einen winzigen Moment wird dieser Wirbelwind ... still in meinem Arm und ist ganz bei mir. Eine Gedichtzeile von Rilke, in der ich mich wiederfinde. Ein Spaziergang im Wald und“ ich nehme wahr, wie der Wald im Frühling erwacht. „Ein Musikstück von Bach. Und ich ergänze: oder von Kenny Wayne Shepherd. Das Lächeln eines Fremden auf der Straße.
Berührt. Durch die Lebendigkeit seiner Schöpferkraft.“
So weit Anke Brehl.
 
Ich stimme ihr zu. Durch solche Berührungen werden wir bewegt und öffnen uns immer mehr für Gottesbegegnungen. Daraus erwächst uns die Bereitschaft zum Ja ohne Aber. Ich glaube, viele machen die Erfahrung, wie es in ihnen immer mehr wird, an Jesu Lebenshaltung Anteil zu bekommen. Vor ein paar Wochen habe ich es angesprochen. Sie fühlen, wie die Richtung angegeben ist, dass sie reinen Herzens werden können, sanftmütig, klar, streitbar für Gerechtigkeit, an der Seite derer, die Hilfe brauchen, friedfertig, achtsam, hingebungsvoll und liebevoll. Das verändert uns und unsere kleine Welt. Und daraus kann Größeres entstehen.
 
Kenny Wayne Shepherd würde singen: It has to do with love. People help each other in the name of the Lord. Es hat mit Liebe zu tun. Menschen helfen einander im Namen Gottes.
Ich wünsche Ihnen, liebe Gemeinde, ganz besonders natürlich euch, liebe Konfis, dass ihr euch sehnen mögt nach Gottesbegegnungen, wie Anke Brehl sie beschrieben hat. „Berührt. Durch die Lebendigkeit seiner Schöpferkraft.“ Ich wünsche Ihnen und euch, liebe Konfis, dass Sie und ihr Ja sagen mögt, ohne ein Aber hinterher zu schicken. So hinterlassen wir Spuren der Liebe in dieser Welt. In the name of the Lord. Im Namen Gottes. Amen

B. Skowron


(Foto: Simone Hainz  / pixelio.de  )
 
 
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